Kurze Texte
Sein Juli
ist aus dem Album gefallen
Nachmittags
in der kühlen Mansarde
neben der Zeder
und das Harz
der
wie immer zu früh
geschnittenen Hecken
verklebt ihm die Stirn
Mit dem Rad will er weg
Weit wird er nicht kommen
Durch die tiefen Schatten
im Blick seines Vaters
führt kein Weg
Damals
war der Himmel noch gratis
über dem Gasometerpaar
Deckweißwolken
auf tiefblauem Packpapier
dunstig vermalt
Damals
pumpte man Tränen
ganz einfach in Fahrradschläuche
und strampelte los
eine Schottergrube
in jeder Hosentasche
In Flaschen
geschnittenes Fallobst
war damals
ein Schatz
bewacht
von Rechen und Schaufel
Vergorene Grüße
vom
Wespensommer
Der Regen sagt die letzte Strophe auf
Von Blitz und Donner
schäumt der Garten noch
Die Vogeltränke lacht als frischer Mond
Am Fenster winken nass
die viel zu oft gewaschenen Gedanken
Die neue Zeit schlingt feste Knoten
für blasse Spiegelbilder
auf der alten Haut
Sie macht die Mienen stumm
zum Abendbrot
Frühe Tage
glatt und rund
die man über Schotterteichen
tanzen lässt
Stunden
ein Kranz fetter Würste
Blicke apfelgrün
noch vor dem Sündenfall
Für den
aus der Sonne gefallenen
Honig
reicht ein Fingerhut
Abschied
Das Morgenblau
kracht in die Frühstückstassen
Die Mumien schwanken sacht
zur Streichwurst
und zum Marmeladenglas
Dem Mittagsblau
schlag ich die Zähne ein
Der Butterbirnenbaum davor
in seiner alten Pracht
der lacht sich schief und krumm
Das Abschiedsblau
hat alles eingepackt
Auf
auf
kein Zögern mehr
Schon winkt das Gartentor
und macht die alten Wächter
stumm und klein
(2002)
Vor dem Ende des Films
ist fast alles erzählt
Fest Entschlossene
haben doch
die besseren Karten
Kopflose sind irgendwo
gerade noch angekommen
und die Koffer der Verräter
umsonst gepackt
Ältere Helden
stehen schon unter der Dusche
Kein Eis mehr
für den letzten Schluck
Alle Kerzen niedergebrannt
und der Krähenschwarm
endlich abgeblendet
Viel ist nicht mehr da
Der Rest eines windigen Morgens im Park
Die nie bemerkte Handbewegung
Ein vergessenes Zimmermädchen
und der doch noch verwendete Blick
in eine zugeschlagene Wagentür
geschnitten
Weiße Fahnen
über den Gärten
im Samstagsblau
Feuchtes Laub
will nicht brennen
Der Herbst trinkt sein Bier
Komm her
kleiner Samurai
zieh dein Schwert
und
rechne mir
im Sand
vertrocknete Augen
gesalzene Münder
und präparierte Finger
vor
die du
im Lederbeutel trägst
Wollharnisch
und Fichtenschwert
wagen den Angriff
Ehre
gegen Ribiselstauden
Blumentöpfe
und listige Schwalben
Ganz oben
im Turm
hinter sieben
verschlossenen Türen
Dornröschen
mit den kalten Füßen
OSTERN
Im Kopf
kräht der Hahn
Im Herz
schläft der Marder
Erste Knospen
an der Spitze der Lanze
ABFLUG
Nein
sie fliegen nicht mit
bleiben kleben
im Taxi
schließen Augen
halten Wangen hin
und winken
rollenden Koffern nach
Eigentlich
schon auf der Heimfahrt
zum
Dünntee
Brotkorb
und Extrawurstscheiben
Nein
sie fliegen nicht mit
aber
schön muss es sein
und
sie nicken dazu
bis tief in die Nacht
die sie üben
ANKUNFT
Dieser Morgen
wie immer zu früh
zu taub
für schläfrigen Regen
Dieser Morgen
wie immer zu dunkel
zu langsam
für freundliches Brot
Rollladen hoch
Was schon da
Das kann doch nicht sein
Ganz nass und so früh
Mit dem schlechten Wetter gekommen
Nein
wir wissen gar nichts
Ist heute Montag
So ein endloser Flug
und alle Koffer dabei
Heute ist Montag
Wir hätten gedacht
so gegen Abend vielleicht
Aber Montag ganz früh
Einfach vergessen
es aufzuschreiben
Ja Montag
Nein
heute duschen wir nicht
Unten
am Hafen
verneigen sich
alle Fallensteller
Einen Doppelkorn
für das älteste Segel
zum Abschied
Ihre Hüte
werfen sie
in die Augen
des Leuchtturms
Ein Abend
der
seine Fallen schon aufgestellt hat
und
am Kirchendach
sprechende Krähen
Mit Glockenläuten
kommt die Nacht
im Hemd
und
ohne Socken
Einen Sack Gedanken
wirft sie ins Bett
und
putzt sich die Zähne
Im Bodensatz des Glases
riecht es
nach kaum überstandener
Krankheit
Die Pendeluhr
macht den Balken Mut
wenn die Dämmerung zeigt
was sie kann
Auf Lieblingsstühlen
die Totgeburten
von nicht erzählten Geschichten
mit ihren verlegenen Gesten
bis die Nacht kommt
und ihnen Tarnkappen aufsetzt
GERÄUMTES GELÄNDE
Längs
schon
pensioniert
Fensterruinen
zahnlos wimmernd
aus den
Angeln gedreht
immer wieder
von Regen und Schnee
geschändet
In die
letzte Kammer
geschoben
Schnarchende Mauergreise
vom Tropf genommen
totgebetet
vom
nimmermüden
Blättergesindel
Längst
schon
im Rollstuhl
Vorgefallene Scherzdächer
mit ihren
lahmen Witzen
über Himmelstöchter
(2008)
GETRÄUMTES GELÄNDE
Längst
schon
Papierbernstein
ausgebrütet
in der
lustigsten aller Zwischeneiszeiten
Abertausend Augentierchen
in vergilbten Mappen
eingefroren
oder ganz einfach
nur so
aufgezogen
in mattem Schmalz
Und als
Draufgabe
auch noch
Zelluloid
Immer schon
ohne Gegenwehr
nun aber
endgültig
verschimmelt
im
Dosenblech
Längst schon
geträumtes
Gelände
(2008)